Rund 800.000 Menschen leben in Österreich Schätzungen zufolge mit Diabetes, 200.000 bis 300.000 davon unerkannt. Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Yvonne Winhofer-Stöckl klärt im Interview über die Volkskrankheit auf.
Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Yvonne Winhofer-Stöckl
Fachärztin für Innere Medizin/Additivfach Endokrinologie&Stoffwechsel Medizinische Universität Wien und Oberärztin an der Univ.Klinik für Innere Medizin III/AKH Wien
Was ist Diabetes Typ 2 genau?
Diabetes Typ 2 ist die häufigste Diabetesform in unseren Kreisen. Wir gehen davon aus, dass zirka 90 % aller Menschen mit Diabetes an Typ 2 leiden. Im Gegensatz zum Diabetes Typ 1 steht hier nicht der Insulinmangel im Vordergrund, sondern die Insulinresistenz. Das bedeutet, dass das blutzuckersenkende Hormon Insulin zwar im Körper vorhanden ist, aber nicht mehr gut wirken kann. Diabetes Typ 2 kündigt sich über Prädiabetes an.
Was sind typische Symptome der Volkskrankheit Diabetes?
Prädiabetes ist ein Warnzeichen. Symptome selbst gibt es aber de facto keine. Das Problem ist, dass viele Menschen mit Diabetes Typ 2 erst dann diagnostiziert werden, wenn bereits Folgeerkrankungen auftreten. Wir gehen davon aus, dass in Österreich zirka 600.000 Menschen mit Diabetes leben, wobei 200.000 bis 300.000 davon noch nichts davon wissen.
Sehen Sie hier aufgrund der doch großen Zahl ein gesundheitspolitisches Problem?
Auf jeden Fall! Ich persönlich arbeite sehr viel mit Menschen mit Adipositas. Ein beträchtlicher Teil davon fällt mit Anfangsstadien von Diabetes Typ 2 oder zumindest grenzwertigen HbA1c-Werten auf. Dieser Wert spiegelt die Blutzuckerkonzentration der letzten drei Monate wider. Wir wissen heute, dass Adipositas der Risikofaktor für Typ 2 Diabetes schlechthin ist. Wir müssen mehr Bewusstsein für Adipositas und die Folgeerkrankungen schaffen und diese nicht einfach nur als Lifestyle-Folgen sehen.
Welche Folgen kann eine nicht behandelte Diabeteserkrankung haben?
Bereits im Frühstadium sehen wir schlecht heilende Wunden sowie schlechtere Reaktionen auf Infektionskrankheiten, wie etwa COVID-19. Die klassischen Komplikationen sind Augen- und Nierenschäden, Neuropathien sowie Herz-Kreislauferkrankungen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall,sowie Amputationen. Neuere Studien zeigen, dass bereits im Stadium des Prädiabetes diabetische Folgeerkrankungen entstehen können; deshalb wird die Früherkennung immer wichtiger.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die gute Nachricht ist, dass wir heute sehr gute Therapiemöglichkeiten haben. Im Vergleich zu früher weisen diese auch ein geringeres Nebenwirkungspotenzial auf. Wir haben eine Reihe von Präparaten zur Verfügung, sodass eine sehr individuelle Therapie möglich ist. Die bekannte Insulintherapie setzen wir heute nur mehr als allerletzte Stufe ein und auch da ist sie mit der „alten“ Insulintherapie nicht mehr vergleichbar.